2003

Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer zum Entwurf von Eckwerten einer 7. GWB-Novelle des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit

Mai 2003 (gemeinsam mit von Hammerstein, Quack, Braun)

Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer zum Entwurf von Eckwerten einer 7. GWB-Novelle des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit

Die Bundesrechtsanwaltskammer begrüßt das Vorhaben der Bundesregierung, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mit den am 1. Mai 2004 in Kraft tretenden Regelungen der EG-Durchführungsverordnung zur Anwendung der Art. 81 und 82 EG (VO 1/2003) zu harmonisieren. Mit Nachdruck spricht sich die Bundesrechtsanwaltskammer aber gegen die unter Ziff. V. des Entwurfs von Eckwerten einer 7. GWB-Novelle (im folgenden „Eckwerte“) skizzierte Beschränkung von Verfahrensrechten und Rechtsschutzmöglichkeiten aus. Die Bundesrechtsanwaltskammer sieht auch im Lichte der Erfahrungen der mit der 6. GWB-Novelle eingeführten Möglichkeit von Drittbeschwerden einschließlich der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Ausnahme von drei Punkten keinen Bedarf für eine Änderung des bisherigen Rechtsschutzsystems.

1. Ausgangspunkt

Die Bundesrechtsanwaltskammer teilt nicht die Auffassung, die mit der 6. GWB-Novelle eingeführte Möglichkeit von Drittklagen gegen förmliche Freigabeentscheidungen der Kartellbehörden habe sich in der Praxis als Vollzugshindernis und Investitionshemmnis erwiesen. Die Bundesrechtsanwaltskammer kann keinen Beleg dafür finden, dass Drittklagen „missbräuchlich“ erhoben worden sind und sich in ungerechtfertigter Weise als Investitionshemmnis erwiesen hätten. Nachteilige Folgen für den Standort Deutschland als Investitionsziel für ausländische Investoren hat nicht der bestehende Rechtsrahmen, sondern hätte eine Beschränkung des Rechtsschutzes. Es sind im allgemeinen gerade inländische, marktmächtige Unternehmen, die von einer weniger streng kontrollierten Freigabepraxis profitieren und den Zugang zum Markt für ausländische Unternehmen beschränken würden.

a) Gerichtliche Entscheidungspraxis

Bereits vor Inkrafttreten der 6. GWB-Novelle hat der BGH das grundsätzliche Recht von Wettbewerbern anerkannt, gegen Zusammenschlüsse vorzugehen. [1] Allerdings blieb die Rechtsprechung wegen fehlender gesetzlicher Verfahrensregelungen praktisch bedeutungslos. Bisher ist nur ein Fall bekannt, in dem ein Kartellsenat nach Inkrafttreten der 6. GWB-Novelle einer Drittbeschwerde in der Hauptsache stattgegeben hat 2.

In bisher nur drei Fällen hat das OLG Düsseldorf Anträgen von Wettbewerbern auf Aussetzung des sofortigen Vollzugs von Freigabeentscheidungen stattgegeben 3. Nach Auffassung der Bundesrechtsanwaltskammer kann diesen drei Einzelfällen keine generelle Tendenz der Rechtsprechung zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes entnommen werden, die gesetzgeberischen Handlungsbedarf zur künftigen Beschränkung von Rechtsschutzmöglichkeiten auslöst. Zudem hat das OLG Düsseldorf in allen drei Fällen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Rechtsmittel jeweils mit gravierenden Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Freigabeverfügungen begründet. Ein leichtfertiger Umgang der Gerichte mit dem Instrument des einstweiligen Rechtsschutzes im allgemeinen sowie den Maßstäben des § 65 Abs. 3 GWB im besonderen ist daraus nicht erkennbar, zumal die Würdigung einer Freigabe im Einzelfall den zuständigen Gerichten überlassen bleiben muss.

Da an dem Vollzug einer rechtswidrigen Freigabeentscheidung kein öffentliches Interesse bestehen kann, lagen diesen Fällen auch keine „missbräuchlichen Drittklagen“ zugrunde, sondern nach dem Stand des Eilverfahrens voraussichtlich begründete Beschwerden von durch die Zusammenschlüsse betroffenen Wettbewerbern. Ob den Beschwerden noch andere Motive als die Wahrung des Wettbewerbs zugrunde lagen und damit als „missbräuchlich“ angesehen werden könnten, ist aus Sicht der Bundesrechtsanwaltskammer nicht erheblich. Auch sonst setzen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Rechtsschutz nicht bei der Motivforschung an. Wenn Rechtsschutzmöglichkeiten gewährt werden, kann es nicht Gegenstand zusätzlicher gesetzlicher Regelungen sein, den Rechtsschutz von „lauteren Motiven“ abhängig zu machen. Überdies ist das Risiko eines „Missbrauchs“ praktisch weitgehend zu vernachlässigen, weil schon nach den geltenden gesetzlichen Regelungen durch offensichtlich unbegründete Beschwerden der Vollzug freigegebener Zusammenschlüsse nicht verhindert werden kann.

b) Verfassungsrechtliche Mindestanforderungen

aa) Gebot praktischer Konkordanz

Die Bundesrechtsanwaltskammer stimmt der in den Eckwerten aufgestellten Forderung zu, der verfassungs-rechtlich gebotene Rechtsschutz gegen Verfügungen des Bundeskartellamtes oder des Bundesministers für Wirtschaft dürfe nicht eingeschränkt werden. Zwar schützen weder Art. 12 GG noch Art. 14 GG vor Veränderungen des bestehenden Wettbewerbsumfelds. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes wird aber in die verfassungsrechtlich geschützte Unternehmerfreiheit eingegriffen, wenn durch staatliche Maßnahmen der Wettbewerb beeinflusst und die Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit dadurch behindert wird 4. Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben sind vom Gesetzgeber im Wege praktischer Konkordanz mit der grundrechtlich verbürgten Freiheit der Zusammenschluss-beteiligten wie bei jedem multipolarem Rechtsverhältnis in Einklang zu bringen. Dabei stellen die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle im GWB die gesetzlichen Schranken dar, in denen sich die unternehmerische Betätigung in dem von Artt. 14, 12 GG garantierten Umfang entfaltet. Liegen die Voraussetzungen für die Freigabe eines Zusammenschlussvorhabens nach §§ 40, 42 GWB vor, besteht ein verfassungsrechtlicher Anspruch der Zusammenschlussbeteiligten auf eine positive Entscheidung des Bundeskartellamtes oder des Bundesministers für Wirtschaft. Liegen die Voraussetzungen für eine Freigabe nicht vor, besteht ein Anspruch der von dem Zusammenschlussvorhaben potentiell betroffenen Wettbewerber auf Unterlassung des Zusammenschlussvorhabens.

Vom Gesetzgeber ist daher folgendes sicherzustellen:

  • Beschwerden gegen rechtmäßige Freigabeentscheidungen dürfen im Hauptsacheverfahren und nach Möglichkeit auch im vorläufigen Rechtsschutz-verfahren keinen Erfolg haben.
  • Ist die Freigabeentscheidung dagegen rechtswidrig, besteht weder ein öffentliches noch ein schutzwürdiges privates Interesse an ihrem Vollzug. Sie ist auf Beschwerde betroffener Wettbewerber aufzuheben, jedenfalls ihr Vollzug auszusetzen.

bb) Gebot effektiven, vorläufigen Rechtsschutzes

Der verfassungsrechtlich gebotene Rechtsschutz beschränkt sich nicht auf Hauptsacheverfahren. Art. 19 Abs. 4 GG gebietet die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, wenn ohne ihn dem Betroffenen eine „erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende besonders gewichtige Gründe entgegenstehen“ 5. Es ist daher folge-richtig und verfassungsrechtlich geboten, dass in § 65 Abs. 3 GWB vorläufiger Rechtsschutz gegen Freigabeentscheidungen gewährt wird. Die Regelung war nach dem Willen des Gesetzgebers auch eine unmittelbare Konsequenz der in der Praxis immer wieder aufgetretenen Schwierigkeiten bei der Entflechtung bereits vollzogener, anschließend jedoch untersagter Zusammenschlüsse 6. Das auch in den Eckwerten nicht angetastete Prinzip der präventiven Fusionskontrolle kann daher wirkungsvoll auch durch Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erreicht werden 7.

Der Gesetzgeber hat den möglichen Konflikt mit dem Grund-recht der Zusammenschlussbeteiligten auf Vollziehung einer im Ergebnis rechtmäßigen Freigabeentscheidung gesehen und die Anforderungen für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in § 65 Abs. 3 GWB gegenüber den in anderen Verfahrensordnungen (VwGO, SGG) getroffenen Regelungen deutlich verschärft. Notwendig sind „ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung“. Eine bloße Interessenabwägung ohne Prüfung der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Hauptsache ist anders als in den Fällen des § 80 Abs. 5 VwGO, § 97 SGG schon von Gesetzes wegen nicht möglich. Das Gericht hat stets jedenfalls eine summarische Prüfung der Freigabeverfügung vorzunehmen und vorläufigen Rechtsschutz nur dann zu gewähren, wenn überwiegend wahrscheinlich ist, dass die Verfügung im Beschwerdehauptsacheverfahren aufgehoben wird 8.

Die Bundesrechtsanwaltskammer hält dies für einen gerechten und verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich der Grundrechtspositionen von fusionswilligen Unternehmen und davon betroffenen Wettbewerbern.

2. Ministererlaubnis

Die Bundesrechtsanwaltskammer stimmt der in den Eckwerten zum Ausdruck kommenden Auffassung zu, dass die Ministererlaubnis als politisch zu verantwortende Ausnahmegenehmigung bewahrt bleiben muss. Die vorhandenen Regelungen des GWB haben sich bewährt.

Die Bundesrechtsanwaltskammer vermag nicht zu erkennen, welche Verfahrensregelungen uneffektiv oder nicht praxisorientiert sind und deshalb einer Veränderung bedürfen.

a) Mündliche Verhandlung

Sofern die Eckwerte darauf abzielen, den Bundesminister für Wirtschaft künftig von der persönlichen Leitung der obligatorischen mündlichen Verhandlung zu entlasten, hält die Bundesrechtsanwaltskammer dies für einen Schritt in die falsche Richtung. Dem Bundeswirtschaftsminister ist bei seiner Entscheidung ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt worden. Dies entspricht dem Charakter der Ministererlaubnis als politisch zu verantwortende Ausnahmegenehmigung. Deshalb hat der Minister die Entscheidung persönlich zu treffen. Seine obligatorische Teilnahme an der mündlichen Verhandlung sichert nicht nur das Recht aller an dem Ministererlaubnisverfahren beteiligten Unternehmen auf rechtliches Gehör, sondern dient in besonderer Weise der Effizienz des Verfahrens. Da der Minister aufgrund seiner vielfältigen politischen und administrativen Verpflichtungen große Teile der Entscheidungsvorbereitung seinen Mitarbeitern überlassen muss, sichert seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung, dass ihm zumindest einmal in einer auch für die Öffentlichkeit transparenten Weise alle für und wider die Ministererlaubnis streitenden Standpunkte durch die Verfahrensbeteiligten und Sachverständigen zu Gehör gebracht werden. Damit erhält er eine Entscheidungsgrundlage, die durch Aktenstudium und Berichte seiner Mitarbeiter nicht ersetzt werden kann.

b) Heilung von Verfahrensfehlern

Soweit die Eckwerte darauf abzielen, die Vorschrift des § 45 Abs. 2 VwVfG im Fusionskontrollverfahren ausdrücklich für anwendbar zu erklären, hält die Bundesrechtsanwaltskammer dies aus mehreren Gründen für verfehlt. Die Ausdehnung der Heilungsmöglichkeit von Verfahrensfehlern bis zum Abschluss eines gerichtlichen Verfahrens ist bereits bei Einführung in das VwVfG rechtspolitisch höchst umstritten und verfassungsrechtlichen Zweifeln ausgesetzt gewesen. Die Übernahme dieser Regelung auch in das Fusionskontrollverfahren ist nach Auffassung der Bundesrechtsanwaltskammer nicht mit den Zwecken der präventiven Fusionskontrolle zu vereinbaren. Dies gilt in besonderem Maße im Ministererlaubnisverfahren. Wegen des dem Minister zustehenden weiten Beurteilungsspielraums gewinnt die Sicherung der Grundrechte der Zusammenschlussbeteiligten und der davon betroffenen Wettbewerber durch Einhaltung der Verfahrensregeln besondere Bedeutung. Die Übernahme einer Vorschrift wie § 45 Abs. 2 VwVfG in das GWB würde die Kartellbehörde jedoch dazu verleiten, die Verfahrensvorschriften zu vernachlässigen und sich im Falle der Anfechtung auf die nachträgliche Heilungsmöglichkeit zu verlassen. Im Heilungsverfahren wird die Behörde jedoch in aller Regel nicht mehr unbefangen und ohne Rücksicht auf prozesstaktische Überlegungen und die Autorität der Verwaltung handeln.
Die Zulassung z.B. einer erst während des Prozesses nachgeholten Anhörung der Verfahrensbeteiligten stellt eine außerordentliche Herausforderung an die Fähigkeiten der Behörde zur Distanzierung von ihrer schon einmal getroffenen Entscheidung dar, der die Behörde praktisch kaum gerecht werden kann.

3. Fusionskontrollverfahren vor dem Bundeskartellamt

Die Eckwerte nennen als mögliches Regelungsziel im Bereich des Fusionskontrollverfahrens ausschließlich eine Beschränkung des Rechtsschutzes. Nach den Ausführungen unter Ziffer 1 sieht die Bundesrechtsanwaltskammer hierfür keinen Bedarf. Rechtsschutz wird schon nach den bestehenden Regelungen nur unter verschärften Voraussetzungen zugunsten von Drittbetroffenen insbesondere im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gewährt. Eine weitere Einschränkung des Rechtsschutzes wäre weder mit dem Zweck der präventiven Fusionskontrolle noch mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar. Die Durchführung praktikabler Verfahren vor dem Bundeskartellamt setzt keine Einschränkungen des Rechtsschutzes voraus. Bestünde gesetzgeberischer Handlungsbedarf zur Sicherstellung eines praktikablen Verfahrens vor dem Bundeskartellamt, wären im Übrigen die Verfahrensregelungen selbst zu ändern und nicht die Rechtsschutzmöglichkeiten zu beschränken.

4. Eigene Vorschläge

Die Bundesrechtsanwaltskammer hält in zwei Punkten das bestehende Rechtsschutzsystem für nicht konsequent und verfassungsrechtlich nicht haltbar. In einem weiteren Punkt sind die vorhandenen Regelungen zum Ministererlaubnisverfahren klarzustellen. Die Bundesrechtsanwaltskammer schlägt daher folgende Änderungen im Rahmen der 7. GWB-Novelle vor soweit sie den unter Ziff. V der Eckwerte behandelten Themenkomplex betreffen:

a) Rechtsschutz im Vorprüfverfahren

Nach dem bisherigen Verständnis der Rechtsschutzregelungen im GWB scheitert eine Drittbeschwerde gegen die stillschweigende oder ausdrückliche Freigabe eines Zusammenschlusses im Vorprüfungsverfahren nach § 40 Abs. 1 S. 1 GWB entweder mangels eines ausdrücklichen Freigabebescheides oder weil spätestens nach Ablauf der Monatsfrist des § 40 Abs. 1 S. 1 GWB das Rechtsschutzbedürfnis wegfällt.

Dieser Ausschluss der Drittbeschwerde ist systemwidrig. Da nach den Ausführungen unter Ziff. I. lit. b) die Drittbeschwerdemöglichkeit gegen rechtswidrige Freigaben verfassungsrechtlich garantiert ist, muss auch bei einer Freigabe im Vorprüfungsverfahren Rechtsschutz im Hauptsache- und vorläufigen Verfahren gewährt werden. Auch in der 1. Phase des Fusionskontrollverfahrens kann es um Fälle gehen, die von ihrer Komplexität und wettbewerblichen Relevanz Fällen im Hauptprüfverfahren gleichen 9. Auch wenn es wegen des Fehlens einer ausdrücklichen Entscheidung des Bundeskartellamtes in der Regel schwer sein wird, die Rechtswidrigkeit der Freigabe gegenüber dem Kartellgericht darzulegen und zu beweisen und deshalb solchen Drittbeschwerden häufig der Erfolg versagt bleiben wird, vermag dies an der grundsätzlichen Notwendigkeit zur Gewährung dieser Rechtsschutzmöglichkeiten nichts zu ändern.

Wenn es weiter dabei bleiben sollte, dass es keine ausdrückliche Regelung zum Drittrechtsschutz geben wird, könnte in § 40 Abs. 6 GWB künftig wie folgt klargestellt werden:

„Wird eine Freigabe des Bundeskartellamts nach Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 Satz 2 durch gerichtlichen Beschluss rechtskräftig ganz oder teilweise aufgehoben, entscheidet das Bundeskartellamt nach Absatz 2. In diesem Fall beginnt die Frist nach Absatz 2 Satz 2 mit Eintritt der Rechtskraft von neuem.“

b) Beschwerdeberechtigung

Aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben hat jeder, dessen unternehmerische Tätigkeit durch eine Freigabe des Zusammenschlussvorhabens beschränkt wird, die Möglichkeit zu erhalten, um Rechtsschutz gegen eine Freigabeentscheidung durch das Bundeskartellamt oder den Bundesminister für Wirtschaft nachzusuchen. Dem werden die bisherigen Regelungen nicht gerecht. Nach § 63 Abs. 2 GWB ist das Beschwerderecht auf die am Verfahren vor der Kartellbehörde Beteiligten beschränkt. Nach § 54 Abs. 2 Ziff. 3 GWB steht es jedoch im weitgehenden Ermessen der Kartellbehörde, welche Personen und Personenvereinigungen, deren Interessen durch die Entscheidung erheblich berührt werden, zu dem Verfahren beigeladen werden. Dadurch erhält die Kartellbehörde die Rechtsmacht, auch solche Unternehmen vom Rechtsschutz auszuschließen, in deren Rechte die Freigabeentscheidung eingreift. So hat das OLG Düsseldorf auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung gebilligt, dass auch ein Unternehmen, dessen Interessen durch den Zusammenschluss zwar erheblich berührt werden, aber bereits durch die schon ausgesprochenen Beiladungen vergleichbarer Unternehmen ausreichend gewahrt sind, nicht beigeladen werden muss 10. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben darf die Entscheidung über den Rechtsschutz von in ihren Verfassungsgrund-rechten betroffenen Wettbewerbern nicht in der Hand der Exekutive liegen. Es handelt sich um eine wesentliche Entscheidung, deren Voraussetzungen der Gesetzgeber zu regeln hat und die einer vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegen muss.

Da es nach dem Verständnis der Bundesrechtsanwaltskammer praktisch nicht möglich ist, zwischen Unternehmen zu differenzieren, die durch ein Zusammenschluss-vorhaben rechtlich beeinträchtigt werden, und solchen Unternehmen, bei denen bloß wirtschaftliche Interessen berührt werden, sollte § 63 Abs. 2 GWB wie folgt ergänzt werden:

„…sowie solche Personen und Personenvereinigungen, deren Interessen durch die Entscheidung erheblich berührt werden und die aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen zu dem Verfahren vor der Kartellbehörde nicht beigeladen wurden.“

Mit einer solchen Regelung könnten die Fälle erfasst werden, in denen rechtlich betroffene Unternehmen entweder aufgrund einer im Interesse der Verfahrensökonomie ablehnenden Entscheidung der Kartellbehörde nicht zum Verfahren beigeladen wurden oder wegen des konkreten Verfahrensablaufs keine Gelegenheit hatten, einen Beiladungsantrag zu stellen. Die Bundesrechtsanwaltskammer hält es auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht für notwendig, das Beschwerderecht auch solchen Unternehmen einzuräumen, welche trotz der hierfür in zumutbarer Weise zur Verfügung stehenden Möglichkeiten keinen Antrag auf Beiladung im Verfahren vor der Kartellbehörde gestellt haben. Damit wird zugleich die Ernsthaftigkeit der Interessenberührung auch verfahrensrechtlich sichergestellt. Einem Unternehmen, das keine zumutbaren Tätigkeiten entfaltet hat, sich am kartellbehördlichen Verfahren zu beteiligen, und gegebenenfalls erst nach erfolgreichen Beschwerden beigeladener Unternehmen seinerseits Beschwerde einlegt, wird man kaum ernsthafte Interessen unterstellen können.

c) Vertretung des Ministers

Zur Klarstellung künftiger Streitfälle regt die Bundesrechtsanwaltskammer an, eine ausdrückliche Vertretungsregelung für den Fall zu schaffen, dass der Bundesminister für Wirtschaft von der Entscheidung im Verfahren nach § 42 GWB ausgeschlossen ist.


1 BGH WuW/E BGH 1556 – Weichschaum III -.

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  1. [1] Hallo hier soll der Text stehen

2 KG WuW 2001, 720 – Habet/Leckerland.
3 OLG Düsseldorf WuW 2001, 589 – NetCologne I -; OLG Düsseldorf WuW 2001, 713 – Trienekens -; OLG Düsseldorf WuW 2002, 727, 980 und 1085 und WuW 2003, 169 – E.ON/Ruhrgas.
4 BVerfGE 86, 28 [37]; BVerfGE 32, 311 [317]; 46, 120 [137 f.]; Grimm NVwZ 1985, 865 ff.; OLG Düsseldorf WuW 2002, 980 – E.ON/Ruhrgas.
5 BVerfGE 93, 1 [14]; 79, 69 [74]
6 vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf der 6. GWB-Novelle, WuW-Sonderheft 1998, 80.
7 OLG Düsseldorf, WuW 2003, 169 [176] – E.ON/Ruhrgas.
8 Die weitere in $ 65 Abs. 3 Nr. GWB vorgesehene Möglichkeit zur Gewährleistung vorläufigen Rechtsschutzes zur Vermeidung unbilliger Härten dürfte kaum praktische Relevanz haben.
9 vgl. BKartA, Erläuterungen zum Fall E.ON/Fortum Energie (Wesertal), Juni 2002, veröffentlicht: www.bkarta.de/B8-31-02.pdf.
10 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 05.12.2002, Kart 37/02 (V) – E.ON/Ruhrags: Gasversorgung Oberschwaben.